In einer Pressemeldung der Odenwälder Zeitung vom 23. Mai ist zu lesen, die Hessische Landesregierung habe „die Digitalisierung verschlafen“. Die Aussage stammt von der Hessischen Landtagsabgeordneten Frau Karin Hartmann und dem Kreisbeigeordneten Herrn Karsten Krug (beide SPD). Angesichts eines milliardenschweren Digitalbudgets, eines eigenen Digitalministeriums und einer Versorgung mit Highspeed-Internetanschlüssen im Landkreis Bergstraße für über 95 Prozent aller Haushalte (Tendenz: steigend) fragt man sich schon, was die beiden wohl zu dieser Aussage veranlasst hat.

Möglicherweise hat es etwas mit der kommenden Kommunalwahl zu tun. Schließlich ist Herr Krug der Gegenkandidat des amtierenden CDU-Landrats Christian Engelhardt. Dieser hatte sich, gemeinsam mit seinem Team im Landratsamt, zuletzt in der Corona-Krise durch Transparenz, eine vorausschauende Gesundheitsstrategie und aktives Engagement für Familien, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Unternehmen an der Bergstraße als kluger Krisenmanager bewiesen. Das wissen auch Frau Hartmann und Herr Krug. Wenn also die Personalie des Landrats keinen Angriffspunkt im Kommunalwahlkampf bietet, dann muss für die Kreis-SPD eben die CDU-geführte Landesregierung als Buhmann herhalten. Schauen wir uns also den Digitalisierungsprozess in Hessen mal genauer an.

Das Hessische Digitalministerium ist mittlerweile etwas über ein Jahr alt. Die Gründung des neuen Regierungsressorts war ein zentrales Anliegen der CDU in den Koalitionsverhandlungen mit den Grünen nach der Landtagswahl 2018. Ziel war es, einen zentralen Knotenpunkt zu schaffen, an welchem die Fäden von Breitband- und Mobilfunkausbau, Kommunalberatung, digitaler Verwaltung und die ethischen Leitplanken der Digitalisierung zusammenlaufen. Seit Januar 2019 werden diese Anstrengungen im Hause von Digitalministerin Prof. Kristina Sinemus gebündelt. Wofür wird das Digitalbudget von 1,2 Mrd. Euro in Hessen aber genau genutzt?

  • Jeden Tag werden im Schnitt drei Mobilfunkmasten neu gebaut oder modernisiert. Grundlage ist der bundesweit beispielhafte Hessische Mobilfunkpakt mit der Telekom, Vodafone und Telefónica. Mit 50 Mio. Euro wird in diesem Rahmen beispielsweise konkret die Schließung der „Weißen Flecken“ gefördert.

  • Jeden Monat entstehen 40 neue WLAN-Hotspots. In enger Zusammenarbeit mit den Kommunen fördert das Land Hessen den Ausbau öffentlicher WLAN-Strukturen über das Programm „Digitale Dorflinde“. Das Programm ist ein voller Erfolg: Bereits 660 Hotspots sind in Betrieb genommen worden.

  • Jeden Tag erhalten mehr Haushalte Zugang zu Highspeed-Internet. Allein in dieser Legislaturperiode stehen für den Gigabitausbau 270 Mio. Euro zur Verfügung. Über 91 Prozent aller Haushalte in Hessen verfügen bereits über Breitbandanschlüsse mit mindestens 50 Mbit/s. Drei von vier Haushalten sind sogar bereits mit über 200 Mbit/s und schneller im Internet unterwegs. Neben der gezielten Förderung der Bau- und Verlegungsmaßnahmen steht dabei auch die Entbürokratisierung der Genehmigungsverfahren im Mittelpunkt. Ergebnis: Von den zehn Landkreisen mit der deutschlandweit besten Internetversorgung liegen ganze fünf in Hessen.

  • Neben der Versorgung der Privathaushalte rückt außerdem die Digitalisierung der Hessischen Bildungseinrichtungen immer mehr in den Mittelpunkt. 90 Prozent der Schulen in Hessen sind bereits gigafähig angebunden oder haben die Anbindung projektiert. Bis 2022 werden nahezu alle Schulen in Hessen gigabitfähig sein. Hinzukommt die Schaffung der „Servicestelle für verantwortungsvolle Mediennutzung“ – eine Kooperationsleistung des Hessischen Digital- und des Kultusministeriums. Die Stelle dient als Anlaufpunkt für Lehrkräfte, Eltern sowie Schülerinnen und Schüler für Fragen und Beratung zur Stärkung der Medienkompetenz.

Weitere Bauteile der Hessischen Digitalstrategie sind Gründungs-, Forschungs- und Entwicklungsförderungen, die Schaffung des „Rats für Digitalethik“, welcher sicherstellt, dass die digitale Transformation unserer Gesellschaft nicht zu Lasten der Menschen geht oder die kommunalen Breitbandberatungsstellen. Die für Südhessen zuständige Stelle ist bei der Wirtschaftsförderung Bergstraße in Heppenheim angesiedelt – und erhielt erst vor kurzem eine zusätzliche Landesförderung von 124.000 Euro. Die Mittel dienen der Ausweitung der Beratungsangebote für Kommunen – z.B. bei der Beantragung von Fördermitteln – und stärken damit den Digitalstandort Bergstraße.

Von einer „verschlafenen Digitalisierung“ kann vor diesem Hintergrund wohl kaum die Rede sein. Frau Hartmann und Herr Krug schlagen aber den Bogen zur Corona-Pandemie und deren Auswirkungen auf den Schulalltag. Das düstere Bild, das die SPD hier zeichnet, wird dem wochenlangen intensiven Engagement der Lehrkräfte und Schulleitungen wahrlich nicht gerecht. Ihnen gebührt unser Dank. Tausende Lehrkräfte haben binnen kürzester Zeit den Unterricht ins digitale Klassenzimmer verlagert: Unterricht in Videokonferenzen, Nutzung von Kommunikationssoftware für den Austausch mit den Eltern, Cloud-Dienste für die Bereitstellung von Materialien und nicht zuletzt die Nutzung des Hessischen Schulportals – Ziel ist, bis zum Ende des Jahres alle Schulen von der Dorfgrundschule bis zur Berufsschule im Ballungsraum an die Lehr- und Lernplattform angeschlossen zu haben. Die Geschwindigkeit, mit der diese Schritte vollzogen werden, hätte vor der Krise kaum jemand für möglich gehalten.

Für den Zugang zu diesen vielfältigen Bildungsangeboten benötigt man natürlich das passende Endgerät. Nicht alle Familien verfügen jedoch über die entsprechende Ausstattung. Ergänzend zum Digitalpakt hat der Bund gerade zusätzliche Fördermittel von 500 Mio. Euro für die Anschaffung von Tablets oder Notebooks in Privathaushalten zugesagt. Mit diesen Geräten werden auch Schülerinnen und Schüler, die zu Hause keine Endgeräte haben, am digitalen Unterricht partizipieren können. So kann eine Spaltung der Schülerschaft verhindert werden.

Wichtig ist auch, dass die Lehrkräfte kontinuierlich in der Mediennutzung geschult und entsprechend fortgebildet werden. Die durch die Pandemie erzwungene Erhöhung der Digitalisierungsgeschwindigkeit verlangt den Lehrkräften vieles ab. Sie müssen den laufenden Unterricht gestalten und gleichzeitig neue digitale Methoden und Medienangebote erlernen und konzeptionell in bestehende Abläufe eingliedern. Schon jetzt ist der Umgang mit digitalen Hilfsmitteln im Unterricht Teil der ersten und zweiten Phase der Lehrerausbildung. Durch eine Novellierung des Hessischen Lehrerbildungsgesetzes wird dieser Bereich zukünftig noch stärker ins Zentrum gerückt. In einer großangelegten Fortbildungsoffensive werden außerdem alle Lehrkräfte, die bereits im Regeldienst sind, fit für den digitalen Unterricht gemacht.

Es ist Fakt, dass der normale Schulbetrieb aktuell nicht möglich. Fakt ist auch, dass die gegenwärtige Situation sowohl Familien und Eltern als auch Lehrkräfte und Schulleitungen vor immense Herausforderungen stellt. Die Bewältigung der Pandemie ist eine schwierige und komplexe Aufgabe. Nicht immer läuft alles glatt und manchmal dauert es etwas, bis sich Abläufe einspielen und Strukturen optimal genutzt werden. Angesichts der umfassenden Digitalstrategie der Landesregierung – von der Versorgung der Privathaushalte mit Anschlüssen und Endgeräten, über den Mobilfunkausbau und die Kommunalberatung bis hin zum Anschluss der Schulen und der Fortbildung der Lehrkräfte – hat aber nicht Hessen die Digitalisierung verschlafen. Vielmehr hat die SPD es versäumt, sich ausreichend zu informieren.

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